4. FASTENSONNTAG

10.03.2013

Lesungen: 2 Kor 5,17-21 // Lk 15,1-3.11-32

Gedanken zu den Lesungen:

Versetzen wir uns in die Lage des ältesten Sohnes, der fleißig seine Pflichten erfüllt, seiner Arbeit nachgeht, sich um ein geordnetes Leben kümmert, sich für seinen Vater einsetzt. Haben wir da nicht viel Verständnis für seine Reaktion? Muss er da nicht denken: Mein Vater wird alt! Er wird sentimental, rührselig! Mein Bruder wollte doch seine Freiheit haben und in die Welt ziehen. Nun sieht man das Ergebnis: Er hat sein Leben verpfuscht und ist am Ende. Muss mein Vater diesem Hallodri unbedingt um den Hals fallen und ihn mit Ehre und überschwänglicher Festlichkeit überhäufen? Mein Vater ist ungerecht!

Denken wir nicht auch so? Vielleicht hatte der Vater dem jüngsten Sohn zu bedenken gegeben, ob das, was er jetzt vorhatte, wirklich klug sei. Doch er konnte nicht anders, als ihm Freiheit zu gewähren. Auffällig ist nun, dass der Vater keinen einzigen Vorwurf macht, kein Wort der Vergebung ausspricht, sondern dem zurückgekehrten Sohn zeigt, dass nun alles gut ist. Anstelle des Vaters würden wir vielleicht sagen: „Diesmal verzeihe ich dir noch einmal, ich gebe dir die Chance, dich zu bewähren. Wenn du aber rückfällig wirst, kannst du nicht mehr mit mir rechnen.“ Das würden wir vielleicht sagen.

Diese ganze Geschichte wird nun deswegen so brisant, weil Jesus damit sagen will: Wie dieser Vater, so ist Gott zu jedem Menschen, der zu ihm zurückkehrt. Gott ist anders, denkt anders. Mit diesem Beispiel gibt Jesus uns eine der schönsten und überwältigendsten Gottesvorstellungen die es gibt. Gott ist nicht ein strafender, ja rächender Gott, wie er auch in der Bibel oft beschrieben wird. Er überhäuft uns nicht mit Vorwürfen, dass wir so sündig sind. Er fordert keine Genugtuung, keine Bußübungen, keine Opfer zur Versöhnung, um ihn wieder gut zu stimmen. Gott verhält sich zu uns, wie ein überglücklicher Vater, der sich närrisch freut, wenn wir zu ihm zurückkehren.

Wir leiden vielleicht an dem „Gewöhnungseffekt“: Wir kennen diese Erzählung von Jesus schon zu gut. Sie beeindruckt uns vielleicht nicht mehr. Wir sagen, dass wir an Gott glauben, und im Vater Unser sagen wir immer wieder, dass er unser Vater ist. Wir wissen, dass es heißt, wir sind Kinder Gottes – und realisieren uns eigentlich nicht, was damit an Qualität und Gewinn für ein „glückliches Leben“ verbunden ist! Wir sind Christen – wie der ältere Sohn „immer beim Vater“, er ist da, tagtäglich mit unserem Leben verbunden, aber wir „checken“ nicht, was das für unser Leben bedeutet. Wir sind wie der älteste Sohn! Der Vater geht hinaus, zu diesem Sohn, und versucht ihm das deutlich zu machen. Ob der Sohn es verstanden hat, wird nicht erzählt.

Ob wir es verstanden haben? Sind wir empfänglich für jene Tiefe, Weite und Würde, die darin liegt, Sohn bzw. Tochter dieses besonderen Gottes zu sein, von dem Jesus spricht?

Da denke ich an die Worte, die Paulus in der ersten Lesung in seinem Brief an die Korinther sagt: „Wenn also ein Mensch zu Christus gehört, ist er schon »neue Schöpfung«. Was er früher war, ist vorbei; etwas ganz Neues hat begonnen.“ Christ sein, an Christus glauben heißt, ein „neuer Mensch“ werden. Ich denke anders über „gut sein“, „gerecht sein“, und zwar im Sinne Gottes. Ich denke anders als der älteste Sohn, der vergessen hat, was es heißt, sein Leben mit seinem Vater zu teilen. Ich lebe im Bewusstsein, von Gott geliebt zu sein, dass ich sein Kind, sein Sohn, seine Tochter bin und dass Gott möchte, dass es mir gut geht, dass mein Leben gelingt, dass er mir aber die Freiheit lässt, meine Wege zu gehen. Wenn das aber schief geht, wenn ich mich verirre, wenn ich mich nicht entsprechend meinem „Kind-Gottes-Sein“ benehme, kann ich zu ihm zurückkehren. Und selbst wenn ich überzeugt bin, dass ich dann eine Strafe verdient hätte, Gott nimmt mich bedingungslos an. Ich kann mich wieder zu Hause fühlen, auch wenn ich Mist gebaut habe.

An so einen Gott kann ich glauben, mit so einem Gott kann ich leben. Bei so einem Gott fühle ich mich geborgen.

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